„Typische Reaktion eines Mannes“

Wir überlegen uns als Betroffene von sexualisierten Übergriffen alle immer wieder sehr genau, ob, wem und in welcher Situation und Umgebung wir davon erzählen. Die Reaktionen, oder ihr Ausbleiben, gerade des eigenen Umfelds, können so viel enttäuschender, verletzender und problematischer sein als die Grenzüberschreitung selbst.

Hilfloses nervöses Kichern. Schulterzucken, ein „Mach dir nichts draus.“

„Trink mal einen Schluck Wasser“

Ratschläge wie: „Kümmer dich nicht weiter um die, ignorier die doch einfach“

Ungläubigkeit. „Was, einfach so?“

Fragen nach Details. Wie viele? Besoffen? Welche Gruppe?

Fragen nach eigenen Reaktionen. „Was hast du dann gemacht?“

Sprüche, die Angreifer mit diskriminierenden Begriffen abwerten. „Das sind doch Sp*sten“, „Was für Assis“. Keine Lust, keine Kraft mehr, darauf einzugehen, was alles daran falsch ist. Dass daran nicht nur die Abwertung von Menschen mit Behinderungen oder einem bildungsfernen sozialen Umfeld stört, sondern auch, dass eine Grenze gezogen wird zwischen „normalen“ Männern*, die sowas nicht machen, keine Grenzüberschreitungen begehen, und den „anderen“, mit denen irgendwas nicht stimmt.

Das nette Zugeständnis: „Ich finde da darf man sich ruhig wehren, wenn man es kann“ oder gleich die Frage, ob man dem eine reingegeben oder ihn getreten habe und warum nicht. Die Frage: „(Warum) hast du dich (nicht) gewehrt?“ verlegt nicht nur den Fokus auf die Betroffene. Sie sagt mir auch, dass mein Gegenüber keine Ahnung hat, dass es damit nicht getan ist. Dass ich mich damit weiter selbst gefährde.

Reaktionen, die davon zeugen, dass sich diese Menschen nicht mit sexualisierten Übergriffen auseinander setzen müssen Da ist keine Wut, da ist Kopfschütteln. Ich nehme es den Einzelnen nicht übel, ich glaube ihnen, dass sie fassungslos sind und überfordert. Ich denke nur: wenn ihr das gleiche Radar hättet, übergriffige Situationen als solche zu erkennen, wenn die Frauen* in eurem Umfeld sich euch solche Erlebnisse erzählen könnten, würdet ihr anders reagieren.

Das ist kein Zweikampf. Es gelten andere Regeln. Der Griff an meinen Körper gilt nicht als Angriff wie ein Faustschlag. Es ist das Risiko, was ich trage, wenn ich als Frau* öffentlich unterwegs bin. Es ist nicht die Ausnahme, es vergeht nicht ein Abend, an dem ich mit Freundinnen weggehe und nicht eine von uns einen Übergriff erlebt.

Das ist nicht ich gegen den Typ*, das ist ich gegen den Typ und eine patriarchale Struktur, die ihn stützt. Das ist ich gegen den Typ und den Alltagssexismus und die Vergewaltigungskultur, die er nur gerade zufällig verkörpert, nur in diesem Moment ausübt. Das ist ich gegen das Wissen in meinem Kopf, dass es im nächsten Moment der Typ daneben sein könnte. Das ist meine Wut über diese Ungerechtigkeit gegen die Erfahrung, dass ich nicht darauf bauen kann, dass die Umstehenden dies auch sehen, gegen die Gefahr, dass sie den Typ schützen, dass sie überhaupt nicht seinen Übergriff, sondern meine Reaktion, als ungerechtfertigt wahrnehmen.

Ich wünsche mir, dass die Ratschläge aufhören. Ich brauche keine Aufzählung der Möglichkeiten wie ich hätte reagieren können. Das ist genau das was ohnehin schon die Stunden danach in meinem Kopf abgeht. Was mich vollständig einnimmt, dass ich an nichts anderes mehr denken kann.

Ich will als absolute und uneingeschränkte Autorität in der Bewertung der Situation anerkannt werden. „Was wünscht du dir was du getan hättest, was die anderen getan hätten, was passiert wäre“, das kann eine hilfreiche Frage sein. Unabdingbar ist die Frage: „Was wünscht du dir, was brauchst du, JETZT“