Veranstaltungsbericht „Antifeminismus – wie intervenieren ?“ (Bahnhof Langendreer 21.5.2015)

Es ist voll am Donnerstag Abend im Bahnhof Langendreer. Kein Wunder, denn auf der Bühne sitzen mit Anne Wizorek, Mitinitiatorin von #aufschrei und Autorin von Weil ein #aufschrei nicht reicht, und Stefanie Lohaus, Mitbegründerin und Redakteurin des Missy Magazine, zwei Frauen, die einem Großteil des studentisch-queerfeministisch geprägten Publikums bekannt sein dürften. Offenbar ist die Frage nach Strategien gegen antifeministischen Backlash aber auch vielen Besucher*innen ein Anliegen, das sie selbst tagtäglich betrifft. Angeleitet wird die Diskussion von Lisa Mense, Mitarbeiterin im Gleichstellungsbüro und Lehrbeauftragte in den Gender Studies an der Uni Duisburg-Essen. Auf den Stühlen finden sich kleine Zettel, die darauf hinweisen, dass diese Veranstaltung bewusst ohne Eintritt gehalten wurde, damit alle sie besuchen können, und alle soviel geben sollten, wie sie es für angemessen halten. Die Veranstalterinnen von Feminismus im Pott halten zu Beginn einen Input zur aktuellen Verbreitung antifeministischer Ansichten, der locker in das Thema einführt. Alle drei verknüpfen ihr persönliches Erleben und eigene alltägliche Kämpfe mit den gesellschaftlichen Debatten. Stefanie Lohaus liefert Beispiele sowohl aus der Missy Magazine Redaktion als auch vom Weihnachtsessen mit der Familie. Dadurch bleibt die Diskussion über die Länge von zweieinhalb Stunden spannend.

Feminismus-Bashing generiert Klickzahlen

Lisa Mense beginnt die Diskussion mit der Feststellung, dass es seit Beginn der Frauen*bewegung antifeministischen Backlash gegeben hat. Dieser werde besonders massiv in Umbruchsituationen, in denen sich Geschlechterpositionen wandeln, sowie in – auch ökonomischen – Krisenzeiten.

Dass es in den letzten Jahren eine verstärkte Aktivität antifeministischer Akteure gegeben hat, wertet Anne Wizorek daher als Reaktion auf öffentlichkeitswirksame Debatten, insbesondere #aufschrei. So lässt sich der zunehmende Backlash, wie bereits in einer der letzten Ausgaben des Missy Magazine, auch als Erfolgsresultat begreifen.

In Kommentarspalten von feministischen Blogs und Mainstreammedien sowie eigenen Artikeln toben sich Antifeminist*innen aus. Den Eindruck, diese würden auf feministische Themen lauern und sich verabreden, um diese zu torpedieren, können alle bestätigen. Als Erklärungsansatz verweist Anne Wizorek auf den Erfolg antifeministischer Artikel in etablierten Zeitungen. Sie fast zusammen, die Kommentarfunktion sei „kaputt“ – es gehe hier nicht um Diskussionen und Meinungsaustausch, sondern darum, Feminist*innen anzugreifen. Sophie Lohaus empfiehlt, sich direkt an Journalist*innen und Redaktionen zu wenden – insbesondere wenn es sich um Artikel handelt, die schlicht falsche Fakten verbreiten, lohne es sich, an die journalistische Verantwortung zur Aufklärung zu erinnern. Es brauche auch mehr Frauen* und (pro-)feministische Menschen in Mainstreamredaktionen und den Ausbau eigener Plattformen. Als weitere Strategien, um feminismusfeindlichen Anfeindungen Frau zu werden, nennt sie die Analyse der Behauptungen, mit der diese entkräftet oder als falsch erwiesen werden können, und das Veröffentlichen von Kommentaren, um mit diesen nicht alleine zu sein und ihnen ihre Kraft zu nehmen. Im Alltag, bei persönlich Bekannten, ist es eine Möglichkeit, an die Empathie sich sexistisch äußernder Personen zu appellieren oder Vergleiche anzustellen wie „Würdest du das auch zu `nem Typ / deiner Schwester sagen?“.

Für Gleichzeitigkeit verschiedener Feminismen

Trotz unterschiedlicher Hintergründe und Schwerpunkte finden die drei in den meisten Punkten gemeinsame Ansätze – und erstaunlich viele tatsächlich hilfreiche, praktikable Tipps zum Umgang mit Antifeminismus. Kontroversen werden in einem freundschaftlichen, solidarischen Ton ausgetragen, der praktiziert, was sie auch dem Publikum empfehlen: zu akzeptieren, dass nicht alle Widersprüche feministischer Praxis aufgelöst werden können.

Erst gegen Ende der Debatte spricht Lisa Mense an, was ich als Elefant im Raum wahrnehme: „Es gibt immer so Initiativen gegen Sexismus – aber das ist immer sehr weiß, deutsch, mittelständisch“ Darauf folgt ein resigniertes und durchaus schuldiges Nicken der weißen, deutschen, mittelständischen Panelteilnehmerinen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die Frage nach der Einbeziehung intersektionaler Perspektiven auch umtreibt. So nennen sie #schauhin als Beispiel für eine Initiative, die als Reaktion auf #aufschrei von Frauen*, die sich mit den dargestellten Sexismuserfahrungen nicht identifizieren konnten, gestartet wurde. Obwohl so auch die Kritik an der eigenen Arbeit mit einbezogen wird, bleibt der Lösungsansatz, es müsse erst muss noch öffentliches Bewusstsein für andere Diskriminierungen geschaffen werden, sehr vage.

Kämpfe wählen

Wiederholt kommt die Frage nach eigenen Kapazitäten auf: mit welchen Reaktionen möchte, kann oder muss ich mich überhaupt befassen? Dabei empfehlen die Diskutierenden, die Reaktion vom Medium abhängig oder auch der jeweiligen Person abhängig zu machen. Wie wichtig ist es, darauf einzugehen? Als entscheidend wird auch die Vernetzung mit Gleichgesinnten erlebt, die gegenseitige Bestätigung liefern können. Die Möglichkeit, eingehende Tweets und Mails von Vertrauten filtern zu lassen, wie es Anne Wizorek nachvollziehbar empfiehlt, ist allerdings vermutlich für wenige realisierbar.

Am Ende steht der Appell, auf Vorwürfe nicht nur defensiv zu reagieren und sie widerlegen zu wollen, sondern mit negativ gemeinten Begriffen zu spielen, sie umzudeuten: „Mehr Genderwahn“ zu fordern oder die „Zersetzung der heterosexuellen Kleinfamilie“ als Ziel nicht von sich zu weisen, sondern zu begründen. Damit ließe sich auch dem Mythos der Familie als Hort von Bindung, Wärme und Geborgenheit begegnen.

Eine ganze Reihe der Besucher*innen nimmt dieselbe S-Bahn zurück. Auf dem Rückweg kriege ich mit, wie sich Kleingruppen von Frauen* immer noch über die angesprochenen Themen und ihre eigenen Erlebnisse unterhalten. Das ist ein großer Verdienst dieser Veranstaltung: dass sie es schafft, ihren Teilnehmenden noch im Nachhinein Denkanstöße mitzugeben.