Veranstaltungsbericht Politbrasserie: Feminismus/Sexismus – Schnee von gestern (damenundherren 10.03.2015)

Vielleicht nehme ich es nur anders wahr, aber mir kommt es vor, als wären diesen März vor allem in Düsseldorf mehr Veranstaltungen anlässlich des internationalen Frauen*kampftags geplant gewesen als sonst. Nicht nur, dass die Stadt zum ersten Mal eine öffentliche Veranstaltung organisierte (Neue Düsseldorfer Online Zeitung vom 02.03.2915), auch viele Kunstvereine und -initiativen stellten unerwartet Termine unter das Motto.

So fanden im temporär wiedereröffneten Vereinsraum des damenundherren e.V. den ganzen März über die regulären Veranstaltungen mit feministischer Thematik statt: ein Literatursalon nur mit Autorinnen*, eine weibliche Improtheatergruppe, „Frauenfilme“ – eine Bezeichnung, die sich glücklicherweise nicht auf verkitschte romantische Komödien bezieht, sondern auf Filme, in denen Beziehungen zwischen Frauen* die Hauptrolle spielen – und eine Ausgabe der „politbrasserie“, die sich dem Thema „Feminismus/Sexismus“ widmete.

Das regelmäßig statt findende Format „politbrasserie“ sieht vor, anhand von kurzen Einspielern aus  Reportagen oder Talkshows zum besprochenen Thema mit eingeladenen Expert*innen, die sich schon länger damit auseinandersetzen, und dem Publikum zu diskutieren.

So sehr mir das Konzept gefällt, birgt es die Gefahr, dass sich die Stammkundschaft von weißen cis-männlichen Vierzigern bis Fünfzigern beim vierten Bier an der Theke über sensible Themen wie Prostitution oder eben die Notwendigkeit antisexistischer Arbeit auslässt – gerade eine Motivation für mich und Freund*innen von mir, dorthin zu gehen.

Schon der augenscheinlich provokant gewählte Titel „Feminismus/Sexismus – Schnee von gestern?“ sowie die in der Veranstaltungsankündigung aufgeworfene Frage: „Schon immer Themen für eine kleine Minderheit oder geht uns das alle an?“ ließen befürchten, dass hier der Kampf für Gleichberechtigung diskutiert würde wie eine abweichende, radikale Meinung. Andererseits greift der Untertitel „zwischen emma, aufschrei und pinkstinks…“ zumindest halbwegs aktuelle und differenzierte Beispiele auf, auch wenn keine der genannten Organisationen eine ist, mit der ich persönlich mich identifizieren würde.

Wie sich bereits der Ankündigung entnehmen ließ, lief der Abend glücklicherweise als Kooperation mit Promädchen – Mädchenhaus düsseldorf e.v. und damenundherren e.v. Zwei Vertreterinnen* von Promädchen übernahmen einen Großteil der Moderationsleitung und trugen regelmäßig zur Diskussion bei. Auch vom Schwul-Lesbischen Jugendzentrum Puls waren drei junge Frauen* da.

Kurz nach acht begann der Abend mit einer kurzen Vorstellung dieser und ihrer Arbeit. Alle konnten glücklicherweise aus ihrer alltäglichen Arbeit berichten und so die immer wieder beim männlichen* Teil des Publikums durchscheinenden Zweifel, ob Erlebnisse mit Sexismus wirklich so allgegenwärtig, ungewollt und bei Frauen* verbreiteter als bei Männern* seien, widerlegen.

Trotzdem ließen es sich einige der anwesenden Mitdiskutanten nicht nehmen, mit Beispielen aus ihrem eigenen Leben, wie sie auch schon einmal gemobbt wurden oder wie sie selbst schon einmal z.B. von einer Lehrerin oder Vorgesetzten angeflirtet wurden und das eigentlich auch ganz gut fanden, vom eigentlichen Thema abzulenken.

Der erste Einspieler zeigte den Beitrag eines (männlichen) Bloggers, der sich zur Debatte um übergriffige Anmachen äußerte. Bekannt ist die Behauptung, es ginge doch überhaupt nicht um eine Frage zwischen Männern* und Frauen*, sondern darum, sich generell nicht wie ein Arschloch zu verhalten.

Ich kann den Ansatz verstehen und finde die Empfehlung, egal welchen Geschlechts mensch ist, auf ein zustimmendes Zeichen der Gegenseite zu warten, vollkommen richtig – nur leider geht diese an der Realität vorbei, da nachgewiesen ist, dass Männer* sich durchaus der Übergriffigkeit ihrer Kommentare bewusst sind, diese aber trotzdem machen – nicht um einen Flirt zu beginnen, sondern um den öffentlichen Raum zu besetzen. Die Aufforderung an Frauen*, doch bitte geduldig, nachvollziehbar, vernünftig und in ruhigem Tonfall Männern* zu erklären, was genau sie nun falsch gemacht haben, dagegen konnte nicht unerwidert stehen gelassen werden. Als ob es meine Aufgabe sei, noch dem xten Macker, der meint, ungefragt meinen Körper kommentieren zu müssen, zu erklären, warum das nicht in Ordnung ist.

So löste direkt der erste Beitrag eine gedehnte Diskussion über angemessene Reaktionen auf Anmachen und darüber, ob diese nicht provoziert oder sogar gewollt seien, aus. So vorhersehbar wie ärgerlich wurden diese Unterstellungen glücklicherweise von vielen Seiten gekontert, machten einige der anwesenden Frauen* klar, dass Erfahrungen mit diesen Übergriffen bereits bei  Mädchen* von 11, 12 Jahren gemacht werden, die sich Anmachen von weitaus älteren Männern* ausgesetzt sehen. Oder auch, dass es sich bei weitem nicht allein um Situationen auf Partys in aufgestyltem Outfit handelt, sondern diese jeden Tag beim Einkaufen und auf dem Weg von der Arbeit passieren. Ganz abgesehen davon, dass es jeder* einzelnen* überlassen bleiben muss, wie sie* sich gerne anziehen möchte – und die Annahme, das eigene Outfit richte sich notwendigerweise an Männer*, hochgradig heterosexistisch ist.

So ärgerlich es war, sich mit diesen Annahmen konfrontiert zu sehen, gelang es trotzdem dank der zahlreichen Anwesenheit und dem Zusammenhalt von Betroffenen*, die sich bereits seit längerem mit der Thematik auseinandersetzen, diesen Berichte und Argumentationen entgegenzusetzen, die Vielfach sogar Anklang zu finden schienen. So konnte beispielsweise ein älterer Mann*, der meinte, die Mädchen* im Verein, den er mit betreute, hätten auf Nachfrage gemeint, dass es keinerlei Übergriffe gegeben habe, davon überzeugt werden, dass es unwahrscheinlich ist, dass sich diese ihm anvertrauen würden. Leider zeugt dieses Beispiel auch davon, dass einige der Beiträge eher dazu geeignet schienen, persönliche Anekdoten loszuwerden, statt die strukturellen Machtgefälle dahinter zu analysieren.

Diese wurden dann aber in einem weiteren Einspieler, bei dem es um Belästigung am Arbeitsplatz und die Schwierigkeit, dagegen vorzugehen, aus Sicht der Betroffenen, ging, verdeutlicht. Hier ließ sich für alle Anwesenden gut nachvollziehbar argumentieren, dass in den dargestellten Situationen sicher nicht die 50-Jährigen Chefs ernsthaft auf eine Beziehung mit ihren Anfang 20-Jährigen Auszubildenden hofften, sondern einfach ihre Position ausnutzten und sich vor Konsequenzen sicher sahen – eine Ausgangssituation, die sich auch auf weniger deutliche Beispiele im Alltag übertragen lässt.

Zu lange hielt sich die Diskussion an der Frage auf, ob es Aufgabe von Müttern* sei, ihre Töchter* angemessen auf solche Erlebnisse vorzubereiten und sie zu stärken. Auch in späteren Diskussionsrunden, beispielsweise nach einem Videoausschnitt, der Kommentare von Journalistinnen zum Fall Brüderle zeigte, stand immer wieder die Ansicht, Mädchen* und Frauen* müssten sich einfach besser durchsetzen und sich wehren, im Vordergrund. Wiederholte Einwürfe, ob es nicht sinnvoller wäre, zumindestens im gleichen Maße Jungen* einen respektvollen Umgang beizubringen, stießen auf wenig Anklang bei der: „die müssten sich wehren lernen“ – Fraktion.

Am Ende konnte sich nicht darauf geeinigt werden, ob es nun wünschenswert wäre, wenn alle aufeinander Rücksicht nähmen oder eher sichergestellt werden sollte, dass Kinder stark genug würden um sich zu wehren – aber überraschenderweise doch darauf, dass Feminismus bzw. Antisexismus nach wie vor relevant und notwendig sind.